November 2017: Job shadowing an der Ecole élémentaire du Faubourg St Denis

03.11.2018

L'École commence à Paris

Während unserer Hospitationswoche in der École Faubourg Saint Denis in der gleichnamigen Straße und somit im "Kiez" des 10. Arrondissements, liefen wir jeden Morgen eilig durch die grauen, vom Duft der Boulangerien erfüllten Häuserschluchten, um pünktlich in der Schule zu sein.

Nach kurzer Zeit bemerkten wir, dass wir uns in einem Strom von eilenden Pariser Bürgern, großen und kleinen, befanden, die alle eilig zur Schule liefen.

Ich fing an, selber eilend, dies Spektakel zu fotografieren.

Dabei wurde deutlich, dass es meist die Väter waren, die ihre Jüngsten zur Schule brachten. In den engen Straßen war das natürlich nicht mit dem Auto möglich. Also wurde zu Fuß geeilt, per Fahrrad und nicht selten auch mit dem Roller angereist.

Überhaupt fingen schon auf dem Weg zur Schule all unsere Beobachtungen der Andersartigkeit des französischen, hier speziell des Pariser Schulalltags an:

Auch ganz kleine Kinder haben ihren kleinen cartable (Ranzen) auf dem Rücken.

Die "Kita- und Vorschulzeit" ist durch das System der école maternelle mit ihrer Einteilung in die "grande" und die "petite section" mit der Primarstufenzeit ("école primaire") viel stärker verschränkt als wir es uns in Deutschland vorstellen, geschweige denn nachahmen können.

Vor der Schule wird sich verabschiedet, on se fait la bise, kein Parken in zweiter Spur mit Warnblinkern, kein Rumstehen auf Schulfluren und Lehrer mit Gesprächsbedürfnissen (und Problemen!) vom Arbeiten abhalten.

Der Eingang der Schule ist nämlich bewacht, und zwar vom Concierge, der/die einen gut gelaunt, namentlich empfängt und einen auffordert sich in ein Anwesenheitsbuch einzutragen. Im Herbst 2017 war das Viertel, in dem sich auch die Discothek Bataclan befand, noch von den schlimmen Anschlägen 2015 gezeichnet. Wachsamkeit und eine gewisse Ernsthaftigkeit schienen die Leute auszustrahlen.

In der Schule herrscht eine unaufwändige, gut organisierte Arbeitsatmosphäre.

Die Räumlichkeiten sind deutlich kleiner in einer Schule der Pariser Innenstadt als sie es in Berlin in welchem Kiez auch immer wären. Daher toben Kinder nie allein durchs Schulgebäude, sie sind sehr dicht bei den Lehrern und allerlei anderem Personal von den Raumpflegerinnen über"externe" junge Studierende, die Phasen des Vormittags, z.B. in der Sporthalle (die mit dem Schulflur zusammenfällt...) übernehmen, bis zu Sozialarbeitern und Logopädinnen, die einzelne Kinder gezielt aus dem Unterricht abholen, um mit ihnen zu arbeiten.

Da die Lehrer hier über Jahre hinweg ihre gleiche Klassenstufe unterrichten, steht ihr Vorname an der Klassentür und die Räume sind bei aller Enge liebevoll, farbenfroh und praktisch ausgestattet.

Im Unterricht herrscht wie durch Zauberhand eine Ruhe.

Es bot sich uns ein recht lebendiger Frontalunterricht, auf den die Kinder sich einließen.

Pünktlich um 12 Uhr wünschen sich alle "bon appétit". Man geht essen oder trifft sich bei Espresso und dunkler Schokolade oder Mitgebrachtem Essen im winzigen Lehrerzimmer, die Schulleiterin mitten dabei, man debattiert über den Alltag...

Beobachtungen in der Wilkommensklasse

Unser Beobachtungsauftrag während unseres Parisaufenthalts war insbesondere die Organisation rund um die Integration von Kindern Geflüchteter u.a. Kinder, die eine Vorbereitung auf den normalen Unterrichtsalltag benötigten.

Auch hier stießen wir auf einfache, aber klare Strukturen, die einen Schwerpunkt auf tägliche Rituale besonders für diese Kinder setzten.

Zuständig für die CLIN (classe intégrative) war ein Kollege mittleren Alters, der die Kinder jeden Morgen an einer kleinen "Wetterstation" im kleinen Innenhof sammelte und zum Klassenraum führte. Es wurde geschaut, wie heute das Wetter ist und dies dann im Klassenraum in den Zusammenhang mit den Wochentagen, dem Datum (Zahlen) sowie Begriffen wie "heute" und "gestern" gestellt.

Überhaupt arbeiteten die Kollegen mit den Kindern in kurzen Phasen, die nicht im 45-Minuten-Takt von Klingelzeichen vorgegeben wurden. Es war eine Rhythmisierung zu beobachten aus jenen Morgenritualen, an die sich Wortspiele, Gedichte, Lieder anschlossen. Eine Gesichtsmassage sorgte für Abwechslung und Entspannung.

Es folgten gezieltere Lernphasen zum Erlernen von Begriffen und Wörtern, die mit Bildkärtchen auf einer beschreibbaren laminierten Tafel befestigt wurden.

Die Kinder der Willkommensklasse nahmen dann in Kunst, Musik und Sport in Klassen ihrer Altersstufe teil, um sie langsam an das Schulleben in einem Klassenverband zu gewöhnen.

Dies entsprach in etwa dem Modell der Integration in der Willkommensklasse der Judith-Kerr-Grundschule. Allerdings wurden die Kinder bei uns zunächst für einzelne Stunden in den Mathematikunterricht integriert, da dieser in der SESB ausschließlich in deutscher Sprache stattfindet, denn die Willkommenskinder waren nicht oder nur selten francophon.